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AutorenbildMathias Stricker

Politisch neutral, aber nicht wertneutral

Drängende gesellschaftliche Fragen werden – auch dank BNE – vermehrt im Unterricht aufgenommen. Dadurch verletzen Lehrpersonen aber keineswegs die politische Neutralität.

Menschenrechte, Klimawandel, Gleichstellung, Nachhaltigkeit – gesellschaftliche Themen werden in der Volksschule vermehrt diskutiert. Ist das nötig und wertvoll? Und wenn ja, geschieht dies politisch neutral? Die Schule war noch nie so demokratisch wie heute. Dies zeigt sich im demokratisch legitimierten Lehrplan 21, in den Unterrichtsformen und im Volksschulgesetz. So gesehen war die Schule wohl noch nie so neutral wie heute. Sie ist aber nicht wertneutral. Gewisse politische Kreise monieren, die Lehrerschaft sei politisch links, und folgern daraus, die Schule sei deshalb politisch nicht neutral. Ein kürzlich eingereichter SVP-Vorstoss im Kantonsrat verlangt eine repräsentative Umfrage zur politischen Neutralität des Unterrichts bei Schülerinnen und Schülern aller Stufen von der Primarschule bis zu den Gymnasien und Berufsschulen. Wann ist der Unterricht rechts, wann links? Nehmen Jugendliche am Freitag an der Klimademo teil, hat das kaum mit der Lehrerin oder dem Lehrer zu tun. Ebenso, wenn sie ihr erstes Erspartes in einen Flug-Trip investieren. Thematisiert eine Lehrerin mit der Klasse das Thema Frauenstreik oder behandelt ein Lehrer Fragen der Biodiversität, ist das mitnichten eine Verletzung der politischen Neutralität an der Schule.

Es gibt keine linken und rechten Themen, sondern in erster Linie linke, rechte, liberale oder konservative politische Positionen. Wir Lehrerinnen und Lehrer gehen verantwortungsvoll damit um. Die Rolle der Lehrperson hat sich gewandelt. Wir leiten unsere Schülerinnen und Schüler an zum selbstständigen und erforschenden Lernen, kooperative Lernformen und Projektunterricht gehören zu unserem Methodenrepertoire. Aber auch die Rolle der Schülerinnen und Schüler hat sich gewandelt. Deren Meinung und Beteiligung ist heute gefragt und mehr denn je lernen sie, sich mit einer Vielfalt von Lebensformen, Wertvorstellungen und Meinungen auseinanderzusetzen. Die beste Form, Kinder und Jugendliche auf die Zukunft vorzubereiten, ist, ihr kritisches Denken zu fördern, ihr Selbstvertrauen zu stärken und ihre Sozialkompetenz zu festigen.

Die Schule verfügt, wie kaum eine andere öffentliche Institution, über viele Kontrollmechanismen. Als erstes Korrektiv wirken die Schüler und Schülerinnen selbst sowie deren Eltern – alle bestens vernetzt dank digitaler Medien. Als nächste Instanzen gibt es die Schulleitungen und eine politisch gewählte Behörde, welche die Aufsicht hat über die öffentlichen Schulen. Und schliesslich werden Schulen mittels externen Schulevaluationen fachlich unter die Lupe genommen.

Dieser Vorstoss ist ein grosses Misstrauensvotum gegenüber den Lehrerinnen und Lehrer des Kantons Solothurn. Und er würde zusätzliche Kosten und administrativen Aufwand verursachen. Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels und grosser zusätzlicher Belastungen ist ein solches Misstrauen höchst kontraproduktiv. Motivierender sind dagegen die tollen Ideen zu Bildung für Nachhaltige Entwicklung in dieser Schwerpunktausgabe des Schulblatts.

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