Öfter werde ich gefragt, ob ich den Lehrberuf heute wieder ergreifen würde. Meine Antwort lautet jeweils «Ja». Genau genommen, antworte ich mit einem überzeugten «Ja, aber …». Ich bin der Meinung, dass der Lehrberuf einer der wichtigsten und vielfältigsten Berufe ist. Kinder und Jugendliche auf einem Stück ihres Lebenswegs zu begleiten, sie bei der Erlangung von Werkzeugen und Kompetenzen zur selbstständigen Lebensgestaltung unterstützen zu können, ist höchst sinnstiftend und auch entsprechend herausfordernd. Es müsste uns also gelingen, genügend Nachwuchs für den Lehrberuf zu gewinnen, denn gerade die Sinnhaftigkeit eines Berufs wird gemäss Generationenforschenden bei den jüngeren Generationen Z und Alpha vermehrt wieder in den Fokus gerückt.
Obwohl die Gesellschaft sich schnell verändert, die Kinder und Jugendlichen heute einen anderen Alltag erleben und andere Einflüsse wie Social Media und das Weltgeschehen stark prägend sind, haben Schülerinnen und Schüler nach wie vor ähnliche Ansprüche an uns Lehrpersonen wie in den Jahren, als ich zu unterrichten begonnen habe: Verlässlichkeit, Humor, Klarheit, didaktische und pädagogische Kompetenzen, Strukturen, Menschlichkeit, Interesse. Damals wie heute haben wir Lehrpersonen neben den Erziehungsberechtigten eine grosse Verantwortung für eine gesunde Entwicklung der Kinder und Jugendlichen. Und dennoch: ‹Schule geben› verändert und entwickelt sich stetig weiter – gerade das macht unseren Beruf auch spannend. Diese Dynamik erfordert Professionalität seitens der Lehrpersonen. Insofern erteile ich populären Bestrebungen für einen vereinfachten Zugang zum Lehrberuf, welche in Zeiten des Personalmangels schnell aufs Tapet kommen, vehement eine Absage. Kinder und Jugendliche ‹einfach gerne haben› und diese ‹beschäftigen› können reichen längst nicht aus, um sämtlichen Anforderungen an den Beruf gerecht zu werden.
Ja, aber …? Um die Verantwortung in unserem Beruf übernehmen zu können, brauchen wir entsprechend gute Arbeits- und Rahmenbedingungen. Hier muss der Kanton attraktiv bleiben. Deshalb verlangt der LSO eine zusätzliche Entlastungslektion für Klassenleitungen, Unterstützung bei grossen Klassen, Optimierungen bei der Speziellen Förderung und Abbau von Bürokratie. Der bürokratische Aufwand hat in den letzten Jahren in ganz unterschiedlichen Bereichen des Schulalltags zugenommen – so unter anderem in der Speziellen Förderung. Der Aktionsplan «Volksschule stärken», der gemeinsam mit dem VSA und VSL aufgegleist wurde, nimmt unter anderem diese Forderungen auf.
Da die Work-Life-Balance oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf den jüngeren Lehrpersonen vermehrt wichtig ist, müssen auch im arbeitsorganisatorischen Bereich noch bessere, neue Lösungen gefunden werden. Der LSO setzt sich auch in seinen GAV-Verhandlungen für ebendiese ein. Gerne engagiere ich mich als Präsident des LSO weiterhin dafür, dass aus meinem überzeugten «Ja, aber….» ein vorbehaltloses «Ja, auf jeden Fall» wird.
SB 13/2023
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