Der strenge Lehrer, der weiss, wo der Schuh drückt: Durch Bildung will Mathias Stricker das Fundament im Staat Solothurn stärken
Mathias Stricker soll für die SP den zweiten Sitz in der Solothurner Kantonsregierung holen. Mit einer starken Hausmacht im Rücken und einer Reformagenda stehen die Aussichten auf das Wunschdepartement gut.
Es ist nicht lange her, da stand Mathias Stricker schon einmal für ein Fotoshooting hier. Nicht zum ersten Mal macht sich der oberste Solothurner Lehrer bereit für den Sprung in die Exekutive des Kantons. Hätte FDP-Regierungsrat Remo Ankli Ende 2023 die Wahl in den Ständerat geschafft, wäre die SP mit Stricker in die Ersatzwahl gezogen.
Bekanntlich zog sich Ankli nach dem ersten Wahlgang zurück. Die Kampagnenfotos von Stricker auf dem Stand-up-Paddle beim Sängli in Altreu waren da aber bereits im Kasten. Nun werden sie für den Regierungsratswahlkampf zweitverwertet.
Der Bettlacher Sozialdemokrat blickt auf eine lange Politkarriere zurück. 2012 rutschte er für Markus Schneider in den Kantonsrat nach, seither setzt er sich mit langem Atem für die Anliegen der Lehrerschaft ein. Als Präsident des Solothurner Lehrerinnen- und Lehrerverbands mit 2750 Aktivmitgliedern, 200 Freimitgliedern sowie 1600 Pensionierten weiss er eine der mächtigsten Organisationen im Kanton im Rücken.
Im Bildungs- und Kulturbereich konnte Stricker einiges bewegen. Zusammen mit FDP-Kantonsrat Martin Rufer erreichte er, dass Solothurn den Schüleraustausch mit der Romandie stärker fördert. Auch das kürzlich eingeführte Kooperationsmodell, mit dem der Kanton die privatrechtlichen Religionsgemeinschaften stärker einbindet, hatte er angestossen. Mitgewirkt hat er zudem an der Abschaffung der Schulnoten für Erst- und Zweitklässler.
Chancen für Bildungsdirektion sind intakt
Der 56-Jährige macht keinen Hehl daraus, dass ihn die frei werdende Bildungsdirektion reizen würde. «Ich stehe schon heute mit der Verwaltung von Remo Ankli in regelmässigem Kontakt und wäre schnell in den Themen drin.» Als ältester der fünf neu antretenden Kandidierenden hätte Stricker gute Aussichten auf sein Wunschdepartement. Wobei auch die Volkswirtschaftsdirektion ihre Vorzüge habe. Als Mitglied des Solothurner WWF-Vorstands und der schweizerischen Energiestiftung kenne er sich mit Umwelt- und Energiefragen aus. 2014 brachte er einen Auftrag zur Förderung der E-Mobilität im Kanton durch.
Doch zurück zum Bildungsbereich. «Dort braucht es jetzt eine klare, gut kommunizierte Haltung, wie es mit den Reformen weitergeht», sagt Stricker. Bei der integrativen Schule bestehe Handlungsbedarf, ein Zurück zu den Kleinklassen sei aber nicht die Lösung. Stattdessen müssten die personellen Ressourcen besser verteilt werden und es brauche weitere Massnahmen für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche.
Stärken möchte Stricker auch die Berufsbildung, um gegen den Fachkräftemangel vorzugehen. Und wie sieht es bei den Mittelschulen aus? Die vergleichsweise tiefe Maturitätsquote im Kanton möchte Stricker «auf keinen Fall» künstlich erhöhen. Mehr Gewicht geben möchte er dem Sport – und zwar über den derzeit angedachten Wortzusatz des Departements für Bildung und Kultur hinaus.
Keine Berührungsängste auf der Jagd
Sport ist auch privat ein Steckenpferd. Neben dem Stand-up-Paddeln – auf einer Tour vom Bielersee bis zur Einmündung der Aare in den Rhein bei Koblenz schaffte er es bereits bis nach Aarau – ist er ein «angefressener Skifahrer». Für die Skischule Balmberg brachte er Kindern den Schneesport bei, im Januar fand er als Skilagerleiter der Primarschule Bellach einige Minuten, um auf die Bretter zu stehen.
Bewegung sei für ihn Freiheit. Überhaupt, die Freiheit: Als er jüngst am SP-Parteitag in Olten auf die Bühne trat, erwähnte er den Begriff in der kurzen Wahlkampfrede mehrfach. Dazu passt seine Mitgliedschaft bei der SP-Reformplattform, des rechten, oder wie es Stricker nennt, «pragmatischen» SP-Flügels.
Bevor er sich ein Urteil bilde, wolle er die Meinungen der Involvierten einholen. So geht Stricker vor einer Revision des Jagdgesetzes schon mal mit dem Hegering Leberberg auf Treibjagd. Die Berührungsängste hat er in jungen Jahren abgestreift. Im Hotelbetrieb der Grosseltern im Weisstannental im Pizolgebiet half er, die frisch geschossenen Steinböcke, Hirsche und Rehe auszunehmen und zuzubereiten. «Dort lernte ich zupacken.»
In Verteilungsfragen ein klassischer Sozialdemokrat
In der Ostschweiz verbrachte Mathias Stricker seine ersten fünf Lebensjahre. In Alt St. Johann bei Wildhaus im Toggenburg war sein Vater reformierter Pfarrer. Mit dem Jobwechsel an die Kantonsschule Solothurn zügelte die Familie nach Bellach, wo Mathias Stricker seine weiteren Kinder- und Jugendjahre verbrachte.
Auffällig für einen SP-Mann ist auch sein Faible für «Law and Order» – von den acht Kandidierenden für den Regierungsrat hat Stricker dort im Smartspider den zweitgrössten Ausschlag. Das hänge durchaus mit dem Beruf zusammen. «Ich gelte als strenger Lehrer, der aber eine empathische Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern pflegt. Sie müssen wissen: Was ich sage, das gilt.» Doch was, wenn ein Kind mal über die Stränge schlägt? Dann gebe es ernste Gespräche mit Lehrer Stricker, «um für alle Seiten gute Lösungen zu finden».
Doch auch wenn Stricker für sich reklamiert, als «Brückenbauer» Stimmen aus der Mitte und von Freisinnigen abzuholen; in Finanz- und Verteilungsfragen bleibt er klassischer Sozialdemokrat. Derzeit spare der Kanton eher zu viel, sagt er. Den öffentlichen Verkehr möchte er ausbauen, die Krankenkassenprämien stärker verbilligen. Damit der Staat diese Dienstleistungen anbieten kann, schreckt er auch vor einer höheren Vermögenssteuer nicht zurück.
«Er stellt die richtigen Fragen»
Hört man sich bei jenen um, die mit Stricker zusammenarbeiten, fallen Begriffe wie Vehemenz und Durchsetzungsvermögen, aber auch die Fähigkeit für konstruktive Zusammenarbeit. «Stricker kann gut zuhören und stellt die richtigen Fragen», sagt Matthias Meier-Moreno, Mitte-Kantonsrat aus Grenchen. Zusammen sitzen sie in der Bildungs- und Kulturkommission. Im sonderpädagogischen Bereich – Meier Moreno arbeitet als Pädagoge im Grenchner Kinderheim Bachtelen, in dem Stricker im Vorstand sitzt – wisse er, «wo der Schuh drückt».
Bleibt noch die Frage nach den Wahlchancen. «Fifty-fifty», sagt Stricker diplomatisch. Ziel sei, dass Parteikollegin Susanne Schaffner die Wahl auf Anhieb schafft. «Das würde meine Ausgangslage für den zweiten Wahlgang vereinfachen.» Und was, wenn der Grüne Daniel Urech im ersten Wahlgang mehr Stimmen holt? Auch dazu habe man Überlegungen gemacht, aber noch nicht zu Ende besprochen.
Fest steht: Nach über zehn Jahren im Kantonsrat will Stricker mehr Verantwortung übernehmen. Als Pluspunkte nennt er sein Alter, die Herkunft aus der Region Grenchen-Bettlach oder die frei werdenden Departemente. Wenn es einen günstigen Zeitpunkt für den Sprung in die Regierung gebe, dann sei er jetzt gekommen.
Grenchner Tagblatt, 7.2.2025, Text Christoph Ramser, Bild Hans-Peter Bärtschi
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